LINN LÜHN

MERET OPPENHEIM

X = an Orange Rabbit

January 19 – March 1, 2019

X= an Orange Rabbit schrieb die junge Meret Oppenheim in ihre Schulkladde, so eine Feststellung – undefinierbar und gleichzeitig selbstbewusst – scheint passend für eine junge Frau, die später eine der prominentesten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts werden wird. Meret Oppenheim (*1913 Berlin, †1985 Basel) gehörte zu den ungewöhnlichsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Sie hat sich als Einzelgängerin nie auf nur einen Stil festlegen lassen. Ihr höchst vielschichtiges Werk, das von Malerei über Skulptur, (Schmuck) Design bis hin zu Gedichten reicht, wird oft mit dem Surrealismus in Paris in Verbindung gebracht, geht jedoch weit darüber hinaus.

Ersten Ruhm erlangte Oppenheim als junge „Garçonne“ im Pariser Künstlermilieu der 1930er Jahre. Gemeinsam mit der befreundeten Künstlerin Irène Zurkinden traf sie 1932 in Paris ein. Hier besuchte sie die Ateliers von Alberto Giacometti, Jean Arp und Max Ernst und schloss sich der Gruppe der Surrealisten um André Breton an, an deren Ausstellungen sie zwischen 1933 und 1937 regelmäßig teilnahm. In diesem Umfeld entstand 1933 auch die berühmte Akt-Foto- Serie von Man Ray, die die Künstlerin als geheimnisvolle Erotique-voilée an der Druckerpresse zeigt.

1936 schuf Oppenheim das legendäre „Déjeuner en fourrure“, eine mit Pelz überzogene Tasse, die gleich bei der ersten Ausstellung in der Pariser Galerie Cahiers d'Art von Alfred Barr für das Museum of Modern Art in New York angekauft wurde. Diese Pelztasse - obwohl nicht ihr wichtigstes Werk -- wurde zum Symbol des Surrealismus. Die alles überlagernde Bekanntheit des Objekts trug letztlich zu ihrem Bruch mit den Surrealisten bei, in deren Mitte sich die Künstlerin zur „Muse“ stilisiert und auf dieses Werk reduziert fühlte.

Auf den schnellen Aufstieg in Paris folgte eine längere Schaffenskrise. Ihrer schwierigen Rolle als Künstlerin und Muse im Zirkel der Surrealisten entzog sie sich durch ein Studium der Malerei und der Restaurierung in der Schweiz.

In Bern, wo sie ab 1954 ein Atelier bezog, begegnete sie Künstlerkollegen wie Dieter Roth und Daniel Spoerri. 1956 wirkte sie an Spoerris Inszenierung von Picassos absurdem Theaterstück „Wie man die Wünsche beim Schwanz packt“ mit einer Text-Übersetzung, Kostümentwürfen und als Schauspielerin mit. Berns offenes, kreatives Klima und der Austausch mit Gleichgesinnten eröffneten ihrer künstlerischen Vielseitigkeit neue Wege.

Von nun an setzte sich Meret Oppenheim auch vermehrt für die Rechte von Künstlerinnen ein und entwickelte ihre ganzheitliche These menschlicher Androgynität, nach der sich männliche und weibliche Anteile gegenseitig ergänzen sollten. Weiterhin schöpfte sie aus ihrem Traumtagebuch, das ihr durchgängig als Reservoir der künstlerischen Inspiration und der Selbsterkenntnis diente.

1967 gab es die erste große Retrospektive im Moderna Museet in Stockholm, 1974 die erste bedeutende Ausstellung in der Schweiz, in Solothurn und Winterthur, danach erneut in New York, in der Marian Goodman Gallery, in der Folge dann in der Galleria Pieroni in Rom. 1982 nahm Oppenheim an der documenta 7 in Kassel teil und 2013 war anlässlich ihres 100. Geburtstages eine umfassende Einzelausstellung im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen. Meret Oppenheim hat sich stets allen Regelwerken entzogen und in ihrer Kunst und ihrem Leben konsequent ein Höchstmaß an Autonomie gewahrt. Ihr hintergründig-humorvolles, nachhaltig intensives Werk hat stark auf jüngere Künstlergenerationen eingewirkt. Ihre selbstbewusst-feministische, Konventionen sprengende Haltung und ihr disziplinübergreifender Ansatz finden bis heute ihren Widerhall in der Kunst.

In der Ausstellung zeigen wir mehrere Zeichnungen aus der wechselvollen Gattung der Wolken - neben kosmischen Sternen- und Planetenkonstellationen ein weiteres zentrales Sujet ihres Schaffens. Diese Bildmotive begleiten sie über Jahrzehnte hinweg, durchlaufen Mutationen, verschwinden vorübergehend, um sich zu anderen Zeiten wieder zu verdichten.

Wolken in unterschiedlichsten Gestalten, die ab 1963 neben Monden, Sonnen und anderen Gestirnen in Oppenheims besonderem Fokus stehen, bleiben bis 1985, dem Todesjahr der Künstlerin, ein mutables Kernthema.

Desweiteren zeigen wir die poetische Serie der Parapapillonneries (1975). In sechs farbigen Lithografien wird wie in verschlüsselten Sequenzen aus einem Film, der in der Phantasie abspult, die Entstehungsgeschichte eines Schmetterlings dargestellt.

Eine Auswahl Oppenheim´s bedeutender Editionen - Das Ohr des Giacometti (1933/1977), Le cocon. (il vit). (1974), Urzeit-Venus (1933/1978), Blüte (1960/2010) – ergänzen die Ausstellung und verweisen auf weitere wichtige Werkgruppen der Künstlerin.

Im Herbst 2021 wird das Kunstmuseum Bern eine umfassende retrospektiv Ausstellung präsentieren, mit weiteren Stationen in der Menil Collection, Houston und dem Museum of Modern Art, New York in 2022.

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