LINN LÜHN

ANNE NEUKAMP

PITCHING PENNIES

September 4 – October 24, 2020

There are pictorial elements in the world of our signs and symbols which can become ambiguous despite the clarity of their multilayered levels of meaning—which, despite their familiar formal character and arrangement, elude our understanding and seem to re-encode themselves as images before our eyes as soon as they appear outside the context of their original and familiar relational structures. This makes their reality seem distant, even though we still recognize it. Their nature as signs also seems strangely liberated in the moment of their detachment—and at the same time open to new thoughts and meanings, to the accumulation of which they seem to expand infinitely. These associations also seem to apply to the symbols, icons, and signs that combine in Anne Neukamp’s new works to create impossible spaces and neo-surreal pictorial puzzles.

Galerie Linn Lühn is delighted to announce the opening of Pitching Pennies, Anne Neukamp’s (*1976, Düsseldorf) first solo exhibition in the Rhineland, during DC Open Galleries 2020. The phrase “pitching pennies” playfully describes the moment when two symbolic objects—such as coins in the literal sense—meet in a painting. Here they develop a surreal, almost supernatural life of their own and position themselves before us on the canvas like almost questioning signs in pictorial form. Light and imaginary things such as the shape of a cloud become grotesquely concrete and, on closer examination, do not fit into the frame of an underlying figural body. Marked by a shadow, they seem like oversized, sculptural emblems that allow all our projected feelings, dreams, and ideas about their pictorial nature and the nuances of their meanings.

A token—itself a cipher and digital currency in the exchange of goods and financial assets—pixelates into a mosaic of rich yellow tones and white and black rectangles. Its function within the picture seems to change: from the clear contour of a form that allows clearly understandable meanings in the manner of street signs, for instance, to a picture puzzle of its own composition which enigmatically eludes our associations and perceptions. It assumes an almost floating state, created with a combination of oil, egg tempera, and acrylic paint, in which Anne Neukamp’s motifs unexpectedly overlap to form hybrids and multiply their meanings, as with the pennies in the game referenced in the title.

Taken from socioeconomic contexts within our everyday consumer culture, the initiated transformations also point, like a humorous comment, to a questioning of our accustomed visual patterns. Well-defined signs unexpectedly combine in the compositions with liquid structures that remain in motion. An angular construction of geometric surfaces seems to be kept from falling by a formal connection in a balancing act. Here the signs we encounter lead us from consuming to looking—and thus to a secret visual language that remains hidden in the symbols and their pictorial abbreviations, but does not fully dissolve. Like the digital world of goods from which they originate and to which they seemingly refer, they perpetuate themselves and create their own images that constantly re-encode their symbolic content in the cycle of familiar visual laws.

Philipp Fernandes do Brito

 


 

Es gibt Bildelemente in der Welt unserer Zeichen- und Symbole, die trotz der Klarheit ihrer vielschichtigen Bedeutungsebenen uneindeutig werden können. Die sich trotz ihres vertrauten formalen Charakters und ihrer Anlage, unserem Verständnis entziehen und sich vor uns als Bild erneut zu verschlüsseln scheinen, sobald sie sich außerhalb des Gefüges ihrer ursprünglichen und uns vertrauten Beziehungsstrukturen zeigen. Ihre Wirklichkeit scheint hierdurch entrückt, obwohl wir sie dennoch erkennen. Ebenso wirkt ihre Zeichenhaftigkeit im Moment ihrer Loslösung seltsam befreit – und gleichzeitig offen für neue Gedanken und Bedeutungen, zu deren Anlagerung sie sich scheinbar unendlich ausdehnen. Diese Assoziationen scheinen auch für die Symbole, Icons und Zeichen zu gelten, die sich in Anne Neukamps neuen Werken zu unmöglichen Räumlichkeiten und neo-surrealen Bildrätseln verschachteln.

Die Galerie Linn Lühn freut sich besonders, anlässlich der DC Open Galleries 2020 die Eröffnung von Pitching Pennies, Anne Neukamps (*1976 Düsseldorf) erste Einzelausstellung im Rheinland, anzukündigen. Als Begriff beschreibt Pitching Pennies dabei spielerisch eben jenen Moment, indem sich zwei Symbolträger – wie etwa im wörtlichen Sinne Münzen – malerisch auf der Leinwand begegnen. Hier entwickeln sie ein surreales, fast übernatürliches Eigenleben und positionieren sich wie bildgewordene, fast fragende Zeichen vor uns auf der Bildfläche. Leichtes und Imaginäres wie etwa die Form einer Wolke, vergegenständlicht sich dabei grotesk und passt sich bei näherer Betrachtung doch nicht in die Fassung eines darunter liegenden Figurenkörpers ein. Gezeichnet von einem Schatten erscheint sie wie ein übergroßes, skulpturales Emblem, das alle unsere projizierten Empfindungen, Träume und Vorstellungen gegenüber ihrer Abbildhaftigkeit und den Nuancen ihrer Bedeutungen zulässt.

Ebenso verpixelt sich ein Token – selbst Chiffre und digitale Währung im Waren- und Finanzaustausch – in ein Mosaik aus satten Gelbtönen, weißen und schwarzen Rechtecken. Seine Funktion innerhalb des Bildes scheint sich dabei zu verändern: Von der klaren Kontur einer Form, die Bedeutungen verständlich wie etwa in Straßenschildern zulässt, hin zu einem Vexierbild seiner eigenen Komposition, das sich unserer Assoziationen und Wahrnehmungen enigmatischen entzieht. In einen beinahe schwebenden Zustand, erzeugt durch eine Verbindung von Öl, Eitempera und Acrylfarbe, in dem sich die Motive Anne Neukamps wie die im gleichnamigen Spiel aufeinander treffenden „Pennies“ unerwartet zu Hybriden stapeln und ihre Bedeutungen multiplizieren.

Entnommen aus sozioökonomischen Kontexten innerhalb unserer alltäglichen Konsumkultur, weisen die initiierten Transformationen dabei auch wie ein humorvoller Kommentar auf eine Infragestellung unserer gewohnten Sehmuster. Fest umrissene Zeichen kombinieren sich in den Kompositionen unerwartet mit liquiden Strukturen, die in Bewegung bleiben. Eine eckige Konstruktion aus geometrischen Flächen scheint durch eine formale Verbindung im Akt der Balance vor dem Fall bewahrt. Hier leiten die vorgefundenen Zeichen uns vom Konsumieren zum Schauen – und somit zu einer geheimen Bildsprache, die in den Symbolen und ihren bildlichen Abkürzungen verborgen liegt, sich jedoch nicht zur Gänze auflöst. Wie die digitale Warenwelt, aus der sie entstammen und auf die sie gleichsam verweisen, perpetuieren sie sich dabei selbst und schaffen eigene, sich in ihrem symbolischen Gehalt stets neu verschlüsselnde Bilder im Kreislauf uns bekannter visueller Gesetzmäßigkeiten.

Philipp Fernandes do Brito

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